Der Verlag Haude und Spener, gegründet im Jahr 1614, spielte eine zentrale Rolle in der Aufklärung und prägte die intellektuelle Landschaft Preußens. Besonders bekannt wurde er durch die „Berlinische Monatsschrift“, in der bedeutende Denker, wie Immanuel Kant, publizierten. Die Berliner Mittwochsgesellschaft, ein Reformkreis prominenter Aufklärer, nutzte die Zeitschrift als Diskussionsforum. Obwohl der Verlag im Laufe der Jahrhunderte an Bedeutung verlor, bleibt das Erbe erhalten, insbesondere durch den berühmten Leitspruch der Aufklärung „Sapere aude“ – „Wage es, zu wissen”, der auch zum Motto des Verlags wurde.
Durch Jonathan Haude, Mitglied Österreichischer Auslandsdienst, Peace Servant at Carnegie Foundation , Peace Palace, The Hague
Die Geschichte des Verlags Haude und Spener reicht bis ins frühe 17. Jahrhundert zurück. Ursprünglich wurde er im Jahr 1614 von den Brüdern Hans und Samuel Kalle gegründet. Dies war nur möglich, weil Kurfürst Johann Sigismund den Brüdern zuvor ein Privileg erteilt hatte. Obwohl sie eigentlich der Buchbinderzunft angehörten, wagten sie den Schritt in das Verlagswesen und veröffentlichten 1615 ihr erstes Buch. Bis 1659 verlegten sie insgesamt 37 Werke, ehe die Buchhandlung an Rupert Völcker verkauft wurde.
In den folgenden Jahrzehnten wechselte das Unternehmen mehrfach den Besitzer: 1697 ging es auf Völckers Sohn Johann über, der es jedoch bereits 1700 an Johann Christoph Papen veräußerte. 1723 übernahm schließlich Ambrosius Haude das Geschäft und machte es zu einem bedeutenden Verlagshaus.
Ambrosius Haude und seine Verbindung zu Friedrich II.
Ambrosius Haude war ein wohlhabender und geschäftstüchtiger Verleger. Er führte eine gut sortierte Buchhandlung mit einem beachtlichen Lagerbestand. Ein Katalog aus dem Jahr 1724, der 288 Seiten umfasste, bezeugt die Breite seines Sortiments. Die Buchhandlung befand sich in prominenter Lage gegenüber dem königlichen Schloss, wo heute das Nationaldenkmal für Kaiser Wilhelm I. steht.
Haudes Verlag erlangte besondere kulturhistorische Bedeutung durch seine enge Verbindung zu Kronprinz Friedrich, dem späteren Friedrich II. (der Große). Friedrich war ein leidenschaftlicher Leser klassischer Literatur, insbesondere französischer Werke. Über seinen ehemaligen Lehrer Duhan entwickelte sich eine enge Beziehung zwischen ihm und Haude. Der Kronprinz besaß eine mehrere tausend Bände umfassende Büchersammlung, die in einem von ihm gemieteten Hinterzimmer in Haudes Buchhandlung aufbewahrt wurde. Nach Friedrichs gescheitertem Fluchtversuch im Jahr 1730 wurde diese Bibliothek jedoch von seinem strengen Vater, König Friedrich Wilhelm I. entdeckt und über Hamburg nach Amsterdam gebracht, wo sie schließlich versteigert wurde. Es ist anzunehmen, dass Ambrosius Haude die Bücher anschließend zurückkaufte und dem Kronprinzen erneut zur Verfügung stellte.
Der Verlag Haude und Spener in der Spätaufklärung
Besondere Bedeutung erlangte der Verlag in der Epoche der Spätaufklärung. Eine seiner wichtigsten Veröffentlichungen war die „Berlinische Monatsschrift“, die von Johann Erich Biester und Friedrich Gedike herausgegeben wurde. Der Historiker Werner Krauss bezeichnete sie als das bedeutendste Forum der Spätaufklärung. Zwischen 1783 und 1796 erschienen darin Beiträge vieler namhafter Denker jener Zeit, darunter auch Immanuel Kant.
Kant veröffentlichte einige Essays in der „Berlinischen Monatsschrift“. Sein wohl bekanntester Beitrag ist der Aufsatz „Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?“, in dem er auf die von Johann Friedrich Zöllner gestellte Frage einging. Kant argumentierte, dass der Mensch den Mut aufbringen müsse, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen, um sich aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit zu befreien. Er formulierte und prägte in diesem Zusammenhang den berühmten Leitspruch der Aufklärung: „Sapere aude“ – Wage es, zu wissen. Kant erläuterte diesen Satz: „Hab den Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen“.
Dieser Wahlspruch prägte nicht nur die Philosophie der Spätaufklärung, sondern wurde auch zum Motto des Verlages Haude und Spener.
Die Berliner Mittwochsgesellschaft und ihr Einfluss
Ab 1783 bildete sich um den Verlag eine Gruppe von Reformbefürwortern und Aufklärungsfreunden, die als Berliner Mittwochsgesellschaft bekannt wurde. Zu ihren Mitgliedern gehörten prominente Persönlichkeiten wie der Theologe Wilhelm Abraham Teller, der preußische Finanzminister Carl August von Struensee und der Philosoph Moses Mendelssohn. Die „Berlinische Monatsschrift“ diente dieser Gesellschaft als wichtiges Diskussionsforum, in dem nahezu jedes Mitglied publizierte.
Die Mittwochsgesellschaft spielte eine bedeutende Rolle in der politischen Diskussion ihrer Zeit. So war sie an der Bearbeitung der Entwürfe für das Allgemeine Landrecht für Preußen beteiligt, das König Friedrich II. 1784 zur öffentlichen Debatte stellte. Zum ersten Mal in der Geschichte wurde einer begrenzten Öffentlichkeit die Möglichkeit gegeben, an einem Gesetzeswerk mitzuwirken. Doch diese Form der Mitbestimmung war nicht von Dauer: 1798 ließ Friedrich Wilhelm III. die Mittwochsgesellschaft auflösen, da man ihr vorwarf, die innere Sicherheit des Staates zu gefährden.
Ein Verlag, dessen Ideale weiterleben
Obwohl die Gründung des Verlags mehr als 400 Jahre zurückliegt und er in den letzten Jahrhunderten weitgehend in Vergessenheit geraten ist, bleiben seine Ideale lebendig. Die Schriften, die hier veröffentlicht wurden, prägten die Geistesgeschichte Europas und inspirierten Generationen von Denkern. Der Mut zur Vernunft und die Forderung nach geistiger Selbstbestimmung, die Kant einst formulierte, sind heute aktueller und wichtiger denn je – ein bleibendes Erbe des Verlags Haude und Spener.
SAPERE AUDE
• Stolze Vergangenheit and lebendige Gegenwart. 325 Jahre Haude & Spenersche Buchhandlung zu Berlin. Berlin, Haude and Spenersche Buchhandlung Max Paschke, 1939.
• Weber, Peter. Berlinische Monatsschrift 1783 - 1796: Herausgegeben von Friedrich Gedike und Johann Erich Biester. 1st ed., Verlag Philipp Reclam jun. Leipzig, 1985.
• Kant, Immanuel. Beantwortung Der Frage: Was Ist Aufklärung? www.projekt-gutenberg.org/kant/aufklae/aufkl001.html.
• Konrad Weidling: Die Haude & Spenersche Buchhandlung in Berlin in den Jahren 1614–1890. Haude und Spener, Berlin 1902.